Freitag, 27. Januar 2012

Holocaust-Gedenkdemonstration am 26. Januar in Fürstenwalde/Spree

300 Menschen erinnern an die Opfer des Holocaust in Fürstenwalde. „British Corner“ rückt wieder in die öffentliche Aufmerksamkeit. Neonazis versuchen mehrmals die Demonstration zu stören und zeigen Hitlergruß.

Am Vorabend des Internationalen Holocaust-Gedenktages beteiligten sich knapp 300 Menschen an einer Holocaust-Gedenkdemonstration durch die Stadt Fürstenwalde. Dazu aufgerufen hatte die Stadtverordnetenversammlung und die Verwaltungsspitze der Stadt Fürstenwalde. Verschiedene Parteien, zivilgesellschaftliche Akteure, so auch der Verein Bildungsbanden aus Storkow,  linksjugend ['solid] Oder-Spree und Antifaschist_Innen aus der Region schlossen sich dem Aufruf an.

Nazis am Rande der Demo

Nachdem die Demonstration um 16:30 Uhr am Markplatz, angeführt durch den Bürgermeister, startete, setzte sich schnell eine Gruppe von 50 Antifas an die Spitze des Aufzuges. Entschlossen und lautstark machten diese ihre konsequente Ablehnung von Neonazis, Rassismus und Antisemitismus deutlich. Auf der Eisenbahnstraße machte die Demonstration vor dem Bekleidungsgeschäft „British Corner“ halt, in welchem auch die Neonazimarke „Thor Steinar“ verkauft wird. Mit einem Redebeitrag wurde noch einmal auf das aktuelle Problem, das diese Stadt mit Neonazis hat, eingegangen und im Besonderen darüber aufgeklärt, dass Thor Steinar im besagtem Geschäft  immer noch zum gängigen Sortiment gehört.

Als die Demonstration sich auf der Höhe des Bahnhofes befand, postierten sich mehrere Neonazis in unmittelbarer Nähe der Demonstrant_innen. Eine Person zeigte den Hitlergruß, es wurde Anzeige wegen Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen gestellt. Danach endete die Demonstration am Ottmar-Geschke Platz, wo sich der sowjetische Ehrenfriedhof und ein Denkmal für die antifaschistischen Widerstandskämpfer befindet. Hier wurde eine Mahnwache für die Opfer des Holocausts abgehalten. In einer Rede machte der Bürgermeister erfreulicher Weise darauf aufmerksam, dass diese Stadt ein bestehendes Problem mit Neonazis hat. Weiterhin gab es einen Redebeitrag über die Verfolgung von Jüdinnen und Juden in Fürstenwalde während des Nationalsozialismus.

300 Menschen erinnern an die Opfer des Holocaust

Während der Demonstration versuchten immer wieder Neonazis, teilweise stark betrunken, sich unter die Teilnehmenden zu mischen. Des weiteren waren zwei Neonazis in Begleitung des ortsansässigen NPD-Kaders Frank Odoy unterwegs. Diese wollten Aufnahmen der Demonstrationsteilnehmer_Innen machen, entfernten sich jedoch nach der Hälfte der Strecke, als engagierte Antifaschist_innen eingriffen.

Für die Antifaschist_Innen aus der Region war es ein sehr erfolgreicher Tag. Es wurden mehrere hundert Flyer an Jugendliche und Passant_Innen verteilt, welche über den British Corner, Thor Steinar und die aktuelle Neonazisituation aufklärten.

Nachfolgend der Redebeitrag, welcher vor dem British Corner gehalten wurde:


ANTIFASCHISTISCH DENKEN! – HANDELN! – LEBEN!

Am morgigen Tag, den 27. Januar 2012, wird mit dem Internationalen Holocaust-Gedenktag den Millionen Opfern der deutschen Gewaltherrschaft während des Nationalsozialismus gedacht. Auch hier in Fürstenwalde wurde 1938 die Synagoge zerstört, gab es ein Aussenlager der KZs Buchenwald, hier wurden Menschen schikaniert, deportiert und ermordet.

Dass die Stadt offiziell zu einem Gedenken aufruft, ist für eine brandenburgische Provinzstadt keine Selbstverständlichkeit. Das Erinnern an die Verbrechen der Vergangenheit ist notwendig, um heute noch existenten menschenverachtenden Weltbildern zu begegnen. Ein Gedenktag allein reicht jedoch nicht aus, um auf die rassistischen Morde der Neonaziterrorgruppe NSU, einen Thor-Steinar-Laden in der Fürstenwalder Eisenbahnstraße oder den Alltagsrassismus, dem Menschen in Deutschland jeden Tag aufs Neue begegnen, zu reagieren.

British Corner - Treffpunkt für Neonazis

Dass Fürstenwalde ein Problem mit Neonazis hat, ist nicht von der Hand zu weisen. Neben neonazistischen Sprühereien an Hauswänden oder Spielplätzen, besteht immer die Gefahr, dass Menschen aufgrund ihres alternativen Aussehens, ihrer Hautfarbe, ihrer sexuellen Einstellung oder ihrer vermeindlichen Herkunft beleidigt, eingeschüchtert oder gewalttätig angegriffen werden. So zum Beispiel am 3. Oktober 2008, als 2 Jugendliche vor einem Supermarkt in der Eisenbahnstraße von einem Neonazi mit einem Messer teilweise schwer verletzt wurden, nachdem sie zuvor rassistischen Beleidigungen ausgesetzt waren. Vor einigen Jahren traf sich die jugendliche rechte Szene noch an Plätzen wie dem „Doppelgänger“, dem „British Corner“ oder dem Bahnübergang, und es war möglich, bevorstehenden Übergriffen aus dem Weg zu gehen. Mittlerweile tauchen immer mehr Neonazis im Stadtbild auf und erzeugen somit einen noch größeren Angstraum für alle, die nicht in ihr menschenverachtendes Weltbild passen.

Auch die organisierte rechte Szene fühlt sich in Fürstenwalde wohl. Die beiden NPD Mitglieder Frank Odoy und Manuela Kokott sind schon seit einigen Jahren in der Stadt aktiv. Letztere ist nicht nur im Kreistag für die Neonazipartei aktiv, sondern nimmt eine wichtige Rolle als Vorsitzende im sehr aktiven NPD-Kreisverband Oderland ein und ist seit kurzem Schatzmeisterin des NPD-Landesverbandes Brandenburg. Auch wird vielen noch das 2007 geplante „Zentrum für Jugend- und Erwachsenenbildung“ in Rauen in Erinnerung sein. Das NPD-Bundesvorstandsmitglied Andreas Molau hatte das „Gut Johannesberg“ gekauft, um in diesem ein rechtes Schulungszentrum zu errichten. Dass er mit seinem Konzept gescheitert ist, bedeutet nicht, dass es keine Nazis mehr in der Region Fürstenwalde gibt.

Antifaschistischer Protest

Einen weiteren Schwerpunkt neonazistischer Aktivitäten stellt das Bekleidungsgeschäft „British Corner“ in der Eisenbahnstraße dar. Dieses dient nicht nur als Einkaufsmöglichkeit, sondern ist auch Treffpunkt für Neonazis aus Fürstenwalde und Umgebung. Von außen nur schwer erkennbar, wird neben weiteren Labels die bei Neonazis sehr beliebte Modemarke „Thor Steinar“ verkauft. Dass es sich dabei um keine gewöhnliche Bekleidungsmarke handelt, sondern um neonazistischen Lifestyle mit völkisch-rassistischem Inhalt, sollte eigentlich bekannt sein.

Die Antwort auf das Naziproblem, dass diese Stadt offensichtlich hat, kann nur eine selbstbewusste, antifaschistische Jugendkultur sein. Engagiert euch gegen Rassismus, Sexismus, Homophobie und Antisemitismus, schließt euch zusammen und unterstützt diejenigen, die von Diskriminierung und Gewalt betroffen sind! Kämpft für ein Leben, in denen alle Menschen verschieden sein können, ohne Angst zu haben!